Foto: Iris Hinneburg

Karfreitag, 3 Uhr am Nachmittag. Jesus ist gekreuzigt worden. „’Es ist vollbracht!‘ Dann neigte er den Kopf und starb.“ Und wir waren dabei. Noch einmal den Worten aus dem Evangelium lauschen, noch einmal das Martyrium vor Augen. „Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott; mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?“ Doch Jesus war tot. Es gab nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu tun. Außer die Kerzen zu löschen und sich selbst ganz Gottes Hand zu überlassen, in aller Ohnmacht und Verletzlichkeit. „Wenn er es kann, kannst du es auch“ schloss die Predigt. Die Dunkelheit des sterbenden Jesu kam über uns, die versammelte Gemeinde, als sich nach und nach vor alle Fenster lange Stoffbahnen legten und den so vertrauten Raum in ungewohnte Dämmerung tauchten.

Vor der Kirche in die Sonne des hellen Frühlingsnachmittags blinzeln. Vertraute Gesichter. Lächeln hinter Masken. Lächeln trotz allem. Die Blicke heben sich. Leuchtende Schals in grün, gelb, rot, orange und blau vor allen Fenstern. Der Wind geht durch sie hindurch und spielt mit ihnen wie mit bunten Haarsträhnen. Schön sieht das aus.

Foto: Iris Hinneburg

„Ein starker Kontrast, immerhin haben wir gerade der Todesstunde gedacht“, bemerkt ein Besucher versonnen. „Aber genau das ist es eben, der Tod ereignet sich mitten im Leben“, antwortet sein Gesprächspartner. Und eine Besucherin sagt: „Da ist einerseits die Erinnerung an die Todesruhe, das Mitgehen im Leiden, aber zugleich zu wissen, es ist schon vollbracht und das Danach leuchtet farbig hindurch“.

Am Ostersonntag sind wir zurück. Genau dort, wo wir uns am Freitag getrennt hatten. Vor der Kirche, in Betrachtung der farbenfrohen Stoffbänder. Dann holen wir sie herunter, tragen sie hinein in die nun helle Kirche und bilden einen Teppich daraus. Ein Mosaik, zusammengetragen von Vielen, zusammengesetzt von Frauen mehrerer Nationen, in tagelanger Arbeit. Was für ein Sinnbild. Hoffnung, Gemeinschaft, Trotz – gerade in diesen schweren Zeiten. Manche haben ihre Verzweiflung, Angst und Einsamkeit in die Stoffe eingearbeitet. All das gehört zusammen, gerade an Ostern. Nach Tod kommt Auferstehung. Denn Jesus ist gestorben, aber im Grab ist er nicht mehr. „Er ist nicht hier! Er ist auferstanden!“ Er hat den Tod überwunden, die Nacht und die Dunkelheit.

Foto: Steffi Seiferlin

Draußen auf dem Kirchhof erwarten uns die Bäume in festlichem Gewand wie Ostereier. Große Schleifen bergen eine Überraschung in kleinen Tüten: Samen für Blumen, Gemüse, Olivenbäume gar. Der Anfang neuen Lebens, nährend für Bauch, Herz und Augen.

Nach dem Gottesdienst bleiben wir noch ein bisschen und stehen – mit Abstand, aber froh, beisammen zu sein – zwischen den Gräbern, teilen frisches Osterbrot und Neuigkeiten. Und so vollendet sie sich einmal mehr, die Reise vom Dunkel ins Licht, zwischen Leiden und Leichtigkeit. Halleluja!

Katharina Lipskoch