Foto: J. Lipskoch

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„Der allmächtige und ewige Gott, der HERR über Lebende und Tote hat … zu sich gerufen.“ So heißt es bei einer christlichen Trauerfeier. Der Ruf Gottes ist gleichbedeutend mit dem Ruf des Todes. Es ist ein Ruf aus dieser Welt. Ein Schaudern geht davon aus. Sprachloses Weinen. Und oft flüchten sich selbst nicht so religiös besaitete Menschen im Angesicht des Endes in einen jenseitigen Trost. Es kann nicht alles aus sein, denkt man. Das Nichts kann ich mir nicht vorstellen, heißt es. Die Begrenzung unserer Lebenszeit ist eine der grundlegendsten Krisen unserer Existenz. Könnte das Leben zufällig, sinnlos und absurd sein?

Er ruft Dich! Vielleicht ruft er aber nicht nur ein Mal. Und dann auch nicht endgültig. Es muss auch kein Ruf sein. Er redet, flüstert, haucht. In das Leben hinein. Mitten in die pralle Lebendigkeit weit weg von der Leich. Ein Ruf in das Leben.

Gerade das ist der geschichtliche Ort dieser Worte: Er ruft Dich! (Markusevangelium Kapitel 10, Vers 49) Ein kranker Mensch saß bettelnd an der Straße. Das ging tagein tagaus so. Almosen und auch Abwechslung waren ihm willkommen. Genau an ihm zogen die Jünger und Jesus und einiges Volk vorbei. Der Mensch wollte Jesus aufhalten. Und flehte Jesus um das Erbarmen Gottes an. Geschrien hatte er! Unüberhörbar war seine Erwartung. Jesus blieb stehen, wandte sich um und rief ihn zu sich. Die anderen Leute sagten zu ihm: Er ruft Dich!

Der Mann brauchte Hilfe, um dem Ruf zu folgen. Die anderen führten ihn zu Jesus. Es war ein Ruf ins Leben. Der Mann wurde nicht kranker, sondern gesunder. Solch einen Ruf sollte jeder einmal hören. Es ist ein Wort, das Identität schenkt. Du bist geliebt! Und diesem Wort folgt ein zweites: Du wirst gebraucht. Es ist eine Verschwendung, wenn Du da rumsitzt und wartest. Du bist zum Leben und Mitwirken berufen. Gottes Ruf kränkt und schwächt nicht. Er beruft zur Mitwirkung. Es gibt viele Dinge, die genau darauf warten, dass sie von Dir getan werden. Wenn ich mich nicht taub stelle, habe ich diese Stimme auch schon gehört. Eine Stimme, die mich in Unruhe versetzt, um der Lebendigkeit zu dienen. Berufung bringt etwas in Schwingung. Es entsteht ein Klang in mir. Eine Motivation: Trau Dich! Steh auf! Er ruft dich! Manchmal muss dazu eine innere Heilung der Traurigkeit geschehen. Dazu kann das Gespräch mit einem anderen Menschen helfen. Es ist nicht immer einfach, den Ruf um Hilfe oder das Angebot der Hilfe anzunehmen. Ich möchte Sie ermutigen, sich im Vertrauen hörbar zu machen. Nicht nur in der Nähe des Todes, sondern damit die Fragen der Identität und der Berufung klarer werden. Und Sie in das Leben eintreten.

Pfarrer Ralf Döbbeling