„Alle Siege werden davongetragen“ (Elazar Benyoëtz)
Im Monat September können viele Siege errungen werden. Die Fußballligen haben wieder begonnen. Manche, die das Siegen gewohnt sind, sind schon wieder obenauf. Einige sehen ihre Erwartungen nicht erfüllt, andere leider bestätigt.
Auch bei den Wahl zum Bundestag kann man gewinnen und verlieren. Die Kandidatinnen und Kandidaten, aber auch die Wählerinnen und Wähler. Und nachher hat man es meistens vorher gewusst. Der Ausgang der Wahl war eigentlich ganz klar. Die Prognosen der Wahlbeobachter haben es schon früh erkennen lassen, nur der sportliche Ehrgeiz der jetzigen Opposition ließ sie bis zum Schluss, sozusagen bis zur 90. Minute, um die Stimmen der Unentschiedenen wetteifern.
In diesen Tagen werden aber auch persönliche Erfolge und Niederlagen erlebt. Viele kämpfen Woche für Woche mit sich selbst, um beweglich und gesund zu bleiben. Andere üben und üben, bis sie schließlich das Musikstück ohne Fehler spielen können. Auch der Sieg über die eigene Ungeduld oder Enttäuschung ist ein Sieg und kein unbedeutender.
Was meint Elazar Benyoëtz dann damit, dass kein Sieg bestehen bleibt, sondern weggetragen wird? Ist er ein Pessimist, der davon ausgeht, dass wir unsere Stimme lediglich abgegeben haben? Elazar Benyoëtz ist Aphoristiker, deshalb ist ihm wahrscheinlich aufgefallen, dass der Satz doppeldeutig ist und man deshalb mit ihm spielen kann. Doch auch diese treffende Beobachtung ist wahrscheinlich kein dauerhafter Sieg, sondern vorübergehend. Will er sagen, dass alles, also auch die Erfolge nicht bestehen?
Von vielen großen Siegen stimmt es, dass sie in Form von Medaillen, Pokalen und Urkunden davon getragen werden, um dann in Vitrinen oder an Wänden dem Vergessen entgegen zu gehen. Den Moment des Sieges vermögen die Zeichen nicht wach zu halten. Die Freude, der Stolz und den Jubel können sie nicht lebendig erhalten.
„Unser Glaube ist der Sieg, der das Davontragen überwunden hat“ – Der Spruch aus dem 1. Johannesbrief, der Anfang Oktober auch Wochenspruch ist, ist ein Hoffnungszeichen. Nicht alles vergeht, sondern Gewinne, Siege, Überwindungen bleiben bestehen. Sie haben uns tatsächlich Freude gemacht und weitergebracht. Und wir können der Resignation widerstehen, dass alles vergeht und nichts bleibt.
Vielleicht hofft der Jude Benyoëtz, dass des einzelnen Siegers Sieg, wenn er davongetragen wird, auch die froh macht, die selber selten siegen. Denn es gibt durchaus Siege, in denen David gegen Goliath gewinnt. Die Entstehung solcher Erfolgsgeschichten werden dann als Ermutigung vieler davongetragen. Meine große Hoffnung ist, dass die Siege, die keinen zum Verlierer machen, und die guten Nachrichten, die die Überwinder anspornen, davongetragen werden und damit viele anspornen.
Ich wünsche Ihnen viele persönliche Erfolge!
Ralf Döbbeling