Da kann ich ein Lied von singen

Als der Nürnberger Drucker Jobst Gutknecht um die Jahreswende 1523/24 das „Achtliederbuch“ herausgab, begann damit eine neue Tradition. Es wurde gemeinsam in der Kirche gesungen und auch die ersten Chöre entstanden. Das hatte mit dem reformatorischen Grundsatz der Beteiligung aller Gläubigen zu tun und damit, dass die gute Nachricht von der freien Gnade auch durch Lieder verbreitet werden sollte. Lieder wie „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ wurden wie das Mondlicht in der düsteren Nacht des Lebens empfunden. Bis heute können wir ein Lied davon singen, wie viel Einfluss Musik auf unser Leben hat.

Für mich ist das gemeinsame Singen in der Kirche oft der stimmungsvollste Moment im Gottesdienst und damit auch der körperlichste. Da spüre ich, dass mein Körper glaubt, hofft, sich freut oder trauert.

Es ist unvorstellbar, wie still die Welt wäre, wenn ihr Schweigen nicht durch Singen und Spielen erfüllt würde. Dabei: So still ist sie ja gar nicht, sondern wir stimmen mit dem Gesang ein in den vielstimmigen Chor der belebten und unbelebten Natur. Und seit September müssen wir das noch mehr tun, da die gefiederten Sänger auf Konzertreise in den Süden geflogen sind und gerade unserem Chor abgehen. Denn so recht reißt uns die Musik nur mit, wenn wir einstimmen in das vielstimmige Lob Gottes. Erst beim Singen entfalten die Verse ihre Kraft. Sie bereichern unsere Seele, indem sie kleine Widerhaken setzen und wir immer wieder durch Ohrwürmer in eine neue Schwingung versetzt werden. Plötzlich schlägt die Stimmung um und wir werden erhoben mit Harmonien und – wenn es glückt – mit Momenten des Singens im Konzert oder auf einer Feier verbunden.

Übrigens wird in jedem Gottesdienst gemeinsam gesungen. Mindestens fünf Lieder werden gespielt. Das gemeinsame Singen ist mittlerweile kein Alleinstellungsmerkmal des evangelischen Gottesdienstes mehr, aber immer noch sehr prägend. Doch die Lieder stammen längst nicht mehr aus Luthers oder barocken Zeiten allein. Viele Liederbücher wurden in den 500 Jahren seit Gutknechts „Achtliederbuch“ herausgegeben und selbst das aktuelle evangelische Gesangbuch ist nicht das einzige Liederbuch, aus dem gesungen wird.

Um mit den vielen schönen Neukompositionen Schritt zu halten, die allein in den letzten Jahren geschrieben worden sind, nutzen wir in der Kirche mittlerweile Bildschirme, um spontan neue Lieder gemeinsam singen zu können. Wenn Sie aber die Geschichte des evangelischen Liedes mal zusammengefasst erleben und einstimmen wollen, schauen Sie doch mal das Video an vom Mitsing-Projekt zum 500. Geburtstag des Gesangbuchs. Zu dieser Präsentation in der Wittenberger Schlosskirche, die auch auf der Briefmarke abgebildet ist, gibt es anlässlich des Jubiläums auch ein Mitsinggesangbuch zum Download.

Sollt ich meinem Gott nicht singen?

Ralf Döbbeling

Dem Halleluja eine Heimat geben

In den Psalmen lesen wir es, im Gottesdienst singen wir es und vielleicht ertönt es auch hin und wieder in Ihrem Alltag. Mit einem gewissen Unterton und der Betonung auf der ersten und dritten Silbe, wenn jemand etwas besonders unterstreichen möchte: „Das war aber ein Gewitter. Halleluja.“ So, als ob damit ein Geschehen an Bedeutung gewinnt. Oder wenn man sich mit dem Hammer auf den Finger geschlagen hat. Dann lässt vielleicht der Schmerz schneller nach, wenn ein Halleluja folgt. Was gäbe es sonst für einen Grund, dass dieses hebräische Wort so einen Eingang in die Umgangssprache auch bei Nichtchristen gefunden hat.

Eigentlich ist es ein ganzer Satz mit einer Aufforderung: „Lobt den HERRN“. Und so ist er auch immer wieder im Alltag zu hören, wenn eine Freudenbotschaft unterstrichen werden soll. Da geht der Dank gleich in die richtige Richtung: Nicht dem Zufall oder dem Schicksal wird gedankt, wenn es ein freudiges Ereignis gibt, sondern dem HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat und immer noch die Fäden in der Hand hält.

Schon in der Antike erschallte das Halleluja in den jüdischen Gottesdiensten und alttestamentlichen Gebetsrufen und wir kennen es in vielen Psalmen. In den christlichen Gottesdiensten wurde es dann noch häufiger benutzt im Zusammenhang mit dem österlichen Auferstehungsruf: „Halleluja – der Herr ist auferstanden – Halleluja.“ So hat es fast eine Scharnierfunktion: Es knüpft an unsere jüdischen Wurzeln an und eröffnet eine neue Zukunft, die untrennbar mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus verbunden ist.

Auch in unseren Gottesdiensten hatte der Jubelruf seinen festen Platz, indem er mit der Brieflesung verbunden war. Allerdings gibt es in unseren jetzigen Gottesdiensten in aller Regel nur eine neutestamentliche Lesung, und zwar das Evangelium. So verschwand das Halleluja heimlich, still und leise.
Schade – ist es doch dieser Ruf, der uns von uns selber und unseren Sorgen aufschauen lässt auf den Auferstandenen, der für uns sorgt. Heißt es doch: „Loben zieht nach oben“.

Wir haben uns das in der Liturgischen Kommission der Gemeinde in den vergangenen Monaten einmal genau angeschaut und lassen das Halleluja wieder eine Heimat im Gottesdienst finden. Es bekommt einen Ehrenplatz unmittelbar vor der Lesung des Evangeliums. Damit uns dieses Lob besser nach oben zieht, stehen wir dazu auf. Dann geht es leichter. Und vielleicht können wir dieses Halleluja wieder mehr in unseren Alltag einziehen lassen. Nicht nur bei durchnässter Kleidung oder einem blauen Daumen als ein Klageruf, sondern als ein Jubelruf auch dann, wenn es wehtut. Denn mit dem auferstandenen Christus gibt es eine neue Wirklichkeit für uns.

Halleluja.

Reinhard Grohmann

Es knospt das neue Leben

Foto: Fundus/Verena Hilß

Ich liebe Gedichte. Die Art, wie die Worte die Dinge umschmeicheln und ihnen ein neues Gesicht geben. Das gefällt mir. Nur leider kann ich sie mir kaum merken. Wie gerne würde ich wie andere Menschen – vor allem frühere Schuljahrgänge – Gedichte auswendig kennen und sie bei Gelegenheit ohne die Hilfe einer Suchmaschine aufsagen können. Und doch habe ich mir den ein oder anderen Vers gemerkt. Z.B. diesen: «Es knospt unter den Blättern, das nennen sie Herbst.» Er haftete früher mal eine Zeit lang an meinem Spiegel im Bad und schaute mich an. So hat sich mir ausnahmsweise eine Zeile eingeprägt.

Um zu erfahren, wer es geschrieben hat, musste ich dann aber schon wieder das Internet befragen. Dieses Gedicht stammt von Hilde Domin. Es verbindet die Beobachtung von fallenden Blättern, an deren Stelle schon Knospen erscheinen, mit der Erwartung neuen Wachstums. Und sie sagt, sie behaupten, das sei der Herbst. Dabei sind wir doch gewohnt, diese Zeit Frühling zu nennen. Das liegt daran, dass wir die Vorbereitung sprießender Blätter und Blüten nicht so sehr bemerken wie deren Aufbrechen.

Aber hat die Dichterin nicht Recht? Beginnt erst jetzt mit dem Blühen das Neue oder wurde es nicht schon früher so angelegt? Ein ebenso dichter Satz lautet: «Am Karfreitag wurde ein Auferstandener gekreuzigt». Er ist auch von einer umsichtigen Frau geschrieben, von Regula Strobel. Und ebenso löst er Wundern aus. Ein Gekreuzigter an Ostern und ein Auferstandener an Karfreitag? Wie eine Knospe im Herbst? Es ist doch anders oder?!

Es gibt vereinzelt Auferstehungserfahrungen vor dem Tod. Nein, es muss sie sogar geben. Ohne Auferstehung mitten im Leben und ein auferwecktes Leben vor dem Tod keine Auferstehung aus den Toten. Die lebendige Kraft des auferstandenen Jesus von Nazareth macht auch die sterblichen Menschen lebendig und wir können mit dieser Hoffnung erstaunliche, unzeitige Dinge tun. Wir nehmen quasi die Auferstehung aus den Toten vorweg. Immer dann, wenn wir den Tod in allen seinen entmutigenden, traurigen Formen nicht die letzte Instanz sein lassen, wirkt die Kraft der Auferstehung schon jetzt in uns. Ein Ostern an jedem normalen Tag. Frühling beginnt im Herbst, so wie Jesus prae mortem so viel Leben versprüht und für das Leben aufsteht, dass auch der Tod ihn nicht festhalten kann.

Die iroschottischen Mönche begannen ihren Tag mit einer Segnung: Ich erhebe mich heute in der Kraft der Auferstehung Jesu Christi. Sie wandten die Kraft des gekreuzigten Auferstandenen auf sich an. Und dann verließen sie ihre Kammer und begegneten den Herausforderungen des Tages. Wie sie können auch wir die Erfahrung machen: Einen Auferstandenen besiegt kein Tod. Unter unseren Händen und in unserer Sprache knospt schon das neue Leben.

Ralf Döbbeling

Alles neu

Foto: Ralf Döbbeling

Ein neues Jahr. Wir schreiben das Jahr 2024. Schon zuvor begann mit dem Advent das neue Kirchenjahr. Darüber hinaus können wir noch viele weitere Anfänge aufzählen: Frühlingsanfang, 1. Geltungsmonat der Tariferhöhung, Einschulung, Beginn der Spargelzeit. Alle diese Zeitpunkte definieren den Anfang von etwas Neuem.

Ich erinnere mich noch, als ich als Kind einen Eichensprössling in den Hühnerhof setzte. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Der Baum hat viele Jahreszeiten erlebt. Wenn ich heute unter seiner Krone hindurchgehe, erinnert mich nichts mehr an den Anfang. Die Eiche hat über die Jahre ihren Charakter bewahrt und ist gewachsen. Viele Wechsel sind über den Baum hinweggegangen.

So ist es mit der Zeit: Sie vergeht und gleichzeitig nehmen wir Veränderungen an uns und anderen, an der Umwelt und der ganzen Welt wahr. Wir können die Zeit zu unserer eigenen Orientierung mit Kalendern und Uhren berechnen, aber den Veränderungen können wir uns damit nicht widersetzen.

Mit einem neuen Jahr beginnt keine neue Zeit, so wie sie mit dem Ende des alten nicht stillsteht. Dem Baum wächst ein neuer Jahresring und unser Leben füllt sich mit Erfahrungen. Die Zeit tritt nur in ein neues Kapitel, sie ändert nicht ihren Charakter. Wenn ein Mensch sich zuvor freute, wird er sich weiter freuen; wenn er traurig war, hat er weiterhin Kummer. Vieles währt von einem Jahr zum anderen. Es gibt sogar Studien der Psychologie und der Ökonomie, dass letztlich die Zukunft durch die Schulden der Vergangenheit vorgezeichnet ist. Wir können uns zu Silvester einen schönen Abend machen, uns aber mit keiner krachenden Silvesterparty von vorher befreien.

Nun denkt man am Anfang eines Jahres zum Glück positiv und nimmt sich vor, zumindest bestimmte Dinge anders zu machen. Gelassener oder aktiver zu sein. Im letzten Jahr wurde im Hort renoviert. Bevor die sanitären Anlagen für die Schülerinnen und Schüler erneuert werden konnten, musste die alten erst einmal raus. So standen eines Feierabends diese Kloschüsseln im Hof. Damit Neues beginnen kann, muss Altes weichen. Dafür haben die Arbeiter abgerissen, zertrümmert und viel Schutt herausgetragen und entsorgt.

Wie bekommen wir die Furcht vor dem Neuen aus dem Herzen gerissen? Vor der neuen Zeit ist uns manchmal bange und wir ziehen uns zurück aus Furcht, etwas falsch zu entscheiden oder falsch zu machen. Es geht nicht darum, Neues nur um des Neuen willen zu machen, bewährte Klassiker müssen erhalten bleiben. Aber ich denke, Sie wissen, was schon längst in ihrem Kopf ist und jetzt beherzigt und in die Hand genommen werden will. Brechen Sie mit altem Denken und brechen Sie auf, Neues zu tun.

Ralf Döbbeling

Angedacht: Fußgängerzone

Gebeugter: Was machst Du da?

Sitzender: Wie, was mache ich? Was werde ich machen? Wonach sieht’s denn aus?

G: Betteln!

S: Nee, ich sitz hier einfach.

G: Aber ist doch kalt.

S: Für mich nicht mehr als für dich! Und was machst Du so?

G: Einkaufen! – Für Weihnachten. Für meine Enkel. Und für meine neue Kollegin zum Wichteln im Büro und für Eveline.

S: Eveline. Schöner Name.

G: Ja, meine Frau. Hat nicht nur einen schönen Namen. Aber eine ihrer schlechten Seiten ist, dass sie wunschlos ist. Sie wünscht sich nichts zu Weihnachten. Jedes Jahr. Also ich meine: Nie. Das macht das Schenken schwierig.

S: Und wenn Du sie mal ernst nimmst?

G: Wie?

S: Naja, ihr den Wunsch erfüllst, nichts zu bekommen.

G: Aber das geht doch nicht. Das ist doch der Sinn von Weihnachten, anderen eine Freude zu machen.

S: Aber vielleicht freut sie sich schon genug, wenn Weihnachten ist. Und Du bist da und die Kerzen und die Kekse und ihr Enkel. Haste das schon mal ausprobiert?

G: Nee. Ist mir zu heikel. Vielleicht meint sie das ja gar nicht so. Und dann ist sie enttäuscht bis zum 27. Dann kann ich ja noch mal loslaufen und was kaufen. Irgendwas.

S: Dann ist auch billiger.

G: Ja, aber darum geht’s ja gar nicht. Ich würde ja viel Geld ausgeben, wenn ich wüsste wofür.

S: Echt?

G: Ja!

S: Dann schenk’s doch mir, wenn Du’s so dicke hast. Und wir machen ein Foto von der Übergabe. Kannst ja noch’n Döner drauflegen. Und ich lache auch richtig doll in die Kamera von deinem Handy. Du hast doch’n Handy oder?!

G: Ja, klar. Hab ich dabei.

S: Na, dann brauchen wir uns ja nur noch über den Betrag zu einigen. Ich brauche täglich ungefähr sieben Euro. Fünf bis zehn bekomme ich täglich beim Schnorren und den Rest vom Flaschensammeln. Wir haben noch 12 Tage bis Heilig Abend. Also sagen wir, Du gibst mir 70€. Jetzt bar auf die Hand. Dann habe ich frei für die Vorfreude.

G: Du spinnst!

S: Nee, ehrlich. Da kommst Du billig davon. Dann musst Du Dich auch nicht mehr fragen, was ich hier mache. Ob ich friere. Ehrlich, ich habe doch ganz kalte Füße.

G: Hm. – Abgemacht. Dann bin ich dieses Jahr Dein heiliger Dreikönig und Du bist das Kind in der Krippe.

S: War ich schon mal. Als Baby beim Krippenspiel. Ist mir nichts Neues. Gibt’s auch Fotos von. Meine Mama hat immer das Krippenspiel in unserer Kirche gemacht. Auch als sie frisch entbunden hatte. Und da war statt der Puppe ich das lebendige Jesuskind.

G: Ist ja lustig.

S: Willste noch einen Tipp für Dein Geschenk für Eveline?

G: Schieß los.

S: Einen Federball.

G: Einen Federball?

S: Ja, einen Federball. Ein Ball wie alle Bälle und doch ganz anders. Mit Federn. Der Engel unter den Bällen. So wie Jesus, ein Mensch wie alle Menschen und doch was Besonderes. Das freut Eveline bestimmt.

G: Du kommst auf Ideen!

Ralf Döbbeling

Unsere Quelle des Muts

Wie können wir mit den Herausforderungen im Leben fertig werden? Jesus weiß Rat: Wir dürfen als Christen beten. Aber er hat dabei nicht nur das Gebet „im stillen Kämmerlein“ gemeint: „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich in ihrer Mitte gegenwärtig“ (Mt 18.20). Was für eine fantastische Botschaft: Gott ist mitten in unserer Gegenwart! Er ist genau dort, wo wir als Gemeinden versammelt sind. Wenn wir als Christen zusammen sind, dann trennt uns nichts von ihm.

Wie können wir „gemeinsam versammelt“„sein? Diese Frage beschäftigt uns als Bartholomäus- und Petrusgemeinde aktuell und in Zukunft: Dabei kommen wir miteinander ins Gespräch, um miteinander zu gestalten, um gemeinsam auszuloten, wie ein Beisammensein funktionieren kann.

Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, etwas zu erbitten, das soll ihnen von meinem Vater zuteilwerden“ (Mt 18,19). Verschiedene Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse, um beisammen und auch bei Gott sein zu können. Das bedeutet viel Verantwortung in der Gestaltung und Transformation. Ziel muss es sein, dass wir mit all unseren unterschiedlichen Bedürfnissen zusammen sein können.

Wie genau das geht und welche Herausforderungen es aber auch mit sich bringt, das loten wir als Gemeinden nun aus. Unter Gottes schützender Hand und mit Vertrauen in ihn und in Fürsorge untereinander können wir viel bewegen. Das Evangelium ist dabei unsere gemeinsame Quelle des Mutes und der Zuversicht.

Julian Gräb (Petrus)

Dieser geistliche Impuls erscheint in „Die Brücke: Neues aus der Gemeindetransformation in Kröllwitz, Giebichenstein und Heide-Süd„, die den kommenden Ausgaben der Gemeindebriefe in Bartholomäus und Petrus beiliegt.