Wie eine kleine Insel liegt die Kirche Sankt Bartholomäus auf dem Berg in Giebichenstein. Umgeben von einem Kirchhof ist es ein Ort der Ruhe und Stille. Ein romantischer Ort. Zwei Eisentüren stehen an den Eingängen, sind aber Tag und Nacht geöffnet. So wird der Kirchhof auch Tag und Nacht betreten. Der gebräuchlichste Weg führt direkt von einem Tor zum anderen. Wer jedoch dem gepflasterten Weg einmal rund um die Kirche folgt, sieht nicht nur alte und verwitterte Grabsteine, sondern auch große Grabmale an der Kirche wecken seine Neugier. Die Lage weit ab von der Burg- und der Großen Brunnenstraße, die Mauer um das Grundstück und die Bäume und Sträucher auf dem Gelände verbergen die Kirche, sodass immer wieder Menschen die Kirche neu entdecken. Mancher Gast einer Trauung sie sogar sucht.
Im vergangenen Jahr hat eine Studentin der Kunsthochschule Burg Giebichenstein den Kirchhof für ihre Studien im Rahmen eines internationalen Projektes von Hochschulen gewählt: places en relation. Sie hat untersucht, wie die Ästhetik des Ortes, die ruhige Atmosphäre des Weges und der Fläche um die Kirche ermöglicht und Menschen miteinander in Kontakt bringt. Tatsächlich hat sie beobachtet, wie Fußgänger ihren Gang verlangsamen und sich dieser Umgebung öffnen. Wie sie auf die Kinder des Hortes oder auf andere, die des Weges kamen, reagierten. Diese Art der Betrachtung einer Interaktion von Menschen, die mit der Kirche und ihrer Umgebung mehr oder minder vertraut sind, war für die Studentin von besonderem Interesse. Es ist ein öffentlicher Ort, kein privater. Er ist aber auch kein so heiliger, wie die Kirche als heilig empfunden wird. Man muss die Schuhe nicht ausziehen oder den Hut absetzen. Es sind alltägliche Begegnungen, die doch durch die Kirche beeinflusst oder erst ermöglicht
werden. So können diejenigen, die sonntags zum Gottesdienst kommen, davon ausgehen, dass „ihre“ Kirche auch alltags eine Ausstrahlung hat. Es ist sogar mit Sicherheit damit zu rechnen, dass die
Gebete des Sonntags sich auch in den Begegnungen des Alltags erfüllen.
Von dieser Wirkung von Kirchen auf den öffentlichen Raum zeugt im 18. Jahrhundert schon ein Stich der Stadt Rom, indem der Karthograph den Raum der Kirchen der Stadt viel weiter ansetzte als die Gebäude reichten. So wie die Studentin sich noch weitere Fragen gestellt hat, sollte auch die Gemeinde sich fragen, was sie tun oder auch lassen sollte, um die Wirkung ihrer Gegenwart auf die Passanten zum Innehalten und Verlangsamen positiv beeinflussen kann. Die vollständige Dokumentation des Projekts findet sich unter: www.civic-city.org/places/. Dort finden sich auch Gedanken von Anna Neumann zur Bartholomäus-Gemeinde.
Ralf Döbbeling und Anna Neumann