Im Alter von vier Jahren zog ich mit meiner Familie nach Halle. Als Kind des Muntschick-Clans, der fast zwei Jahrzehnte die Bartholomäusgemeinde aufmischte (und es teilweise immer noch tut), war es eine Selbstverständlichkeit, dass am Sonntag in den Gottesdienst gegangen wird. Zugegeben, da wir im Gemeindehaus und somit direkt neben der Kirche wohnten, blieb nicht viel Spielraum für Ausreden, aber selbst, wenn sich eine solche fand, blieben die Eltern standhaft gegen jede Woge wütender Kinder, die ihren Sonntagvormittag anders verbringen hätten wollen.
Da der Gottesdienst für mich schrecklich langweilig war, wurde ich ohne Zögern in den Kindergottesdienst gesteckt. Meine Kindheit war geprägt vom Bartholomäuskindergarten, Kindergottesdienst und Christenlehre, sodass ich schnell zum „Klassenprimus“ wurde – jede biblische Geschichte kannte ich auswendig und kaum einer mochte mir etwas Neues erzählen. Diese Rolle genoss ich – ein wenig zum Leidwesen von Frau Rehahn und den anderen Mitarbeitern.
Irgendwann wurde Stolz zu Übermut und mein Wissen zu Besserwisserei, ich langweilte mich und fühlte mich unterfordert. Die Geschichte hätte eine böse Wendung nehmen können, doch zum Glück kam ein frischer Wind in Form von neuen KiGo-Mitarbeitern herauf, zusammen mit neuem Material und Ideen. Man erkannte meine Unterforderung als Chance und rekrutierte mich mit 9 oder 10 Jahren in das Team. Ich übernahm zusammen mit diversen Schwestern und Grohmann-Töchtern das Anspiel für den Kindergottesdienst. Das waren herrliche Zeiten! Als wir irgendwann älter wurden, setzten wir uns nur noch für das Anspiel von Gottesdienst ab und kehrten nach getaner Arbeit wieder zurück in die Kirche. Es muss sich rumgesprochen haben, dass Thekla ein biblisch-versiertes Kind mit zu viel Freizeit war, denn auch bei den Kinderbibeltagen wurde ich bald als Mitarbeiter rekrutiert, später auch in allen möglichen Kinderrollen im Anspiel des 2. Weihnachtsgottesdienstes.
Durch die Mitarbeit im KiGo lernte ich viele andere Gemeindemitglieder kennen, Erwachsene wie Kinder. Besonders jetzt, sieben Jahre, nachdem ich aus Halle weggezogen bin, vermisse ich die Zeit, in der ich mindestens 85% der Gemeindemitglieder beim Namen rufen konnte.
In meiner Familie war es klar, dass wir uns in unserer Freizeit in der Gemeinde engagieren. Sowohl als Teilnehmer als auch als Leiter. Bei uns Kindern war das vor allem der Kindergottesdienst und die Jugendarbeit. Aber wir mussten erst etwas erhalten, bevor wir zurückgeben konnten. In meinem Fall hat es mir gutgetan, nach einigen Jahren „passiven“ Teilnehmens im KiGo aktiv mitzugestalten. Die Erfahrung zu machen, dass ich mit dem, was ich kann und weiß, nicht nur prahlen muss, sondern sie einsetzen und weitergeben kann, war für mich mehr als wertvoll. Als nach meiner Konfirmation mit 3 Konfirmanden (ich und zwei Grohmanntöchter) die Jugendarbeit aus Mangel an Leitern auszusterben drohte, nahmen wir sie ganz einfach selbst in die Hand und bauten uns die Jugendarbeit so, wie es unsere kühnen Ideen (und der Gemeindekirchenrat) erlaubten. Das Resultat war die Konfirmation unserer eigenen Kreisis, die mit 30 Teens fast die Kirche sprengten.
In meinem Fall half also der Kindergottesdienst, mich von klein auf in der Gemeinde wohlzufühlen, mich weiterzuentwickeln und letztendlich bis in mein Erwachsenwerden hinein einzubringen. Die wöchentliche Investition von Zeit und Engagement der KiGo-Mitarbeiter resultierten also, sicher auch für die Gemeinde, aber vor allem für mich, in einem großartigen und positiv prägenden Gemeindeleben.
Thekla Muntschick