Foto: Thomas Geßner

Am 20.11.2020 verstarb unser langjähriger Pfarrer Horst Geßner im Alter von 85 Jahren. Welche Rolle er für Bartholomäus gespielt hat, erzählt unser ehemaliger Pfarrer Rainer Katzmann, der seit 1978 mit Pfarrer Geßner zusammengearbeitet hat.

Rainer, was war aus Deiner Sicht das größte Anliegen von Horst Geßner als Pfarrer?

In den ersten 11 Jahren unsres gemeinsamen Weges erlebte ich Pfr. Geßner als fleißigen, organisatorisch und sprachlich sehr begabten, geschäftsführenden Pfarrer. Sein Anliegen war, die vielfältigen Aktivitäten der Kirchgemeinde bestmöglich zu organisieren und dabei die Finanznot durch den permanenten Schwund der Kirchsteuerzahler mit einem freiwilligen Gemeindebeitrag zu stillen. Um zu verstehen, wie vielfältig diese Bemühungen waren, zähle ich nur einige auf: straßenweise organisierte Einladungen zu den Seniorennachmittagen, ein ökumenischer Kontaktkreis mit St. Norbert und gemeinsame Bibelabende, großer Basar in der Adventszeit und nicht zuletzt eine engagierte Predigttätigkeit und durchschnittlich 60 Trauerfeiern im Jahr. Hinzu kam die Erhaltung der Gebäude unter DDR-Bedingungen mit Kirche, Gemeindehaus, Kindergarten und dem im Land einzigen Kinderhort unter kirchlichem Dach.

Welche nachhaltigen Entwicklungen, man könnte auch sagen, welche Frucht, hat Pfr. Geßner in der Gemeinde angestoßen bzw den Samen dafür gelegt?

Zur Wendezeit trafen Pfr. Geßner kurz nacheinander zwei harte Schicksalsschläge. Zuerst starb seine Ehefrau sehr unerwartet und nur wenige Monate später erlitt er selbst eine Massenblutung im Hirn, die ihn schließlich auch zum Ruhestand zwang. Die Gemeinde reagierte auf die Hiobsbotschaft sofort mit Gebet und liebevoller Begleitung. Der GKR versammelte sich an seinem Krankenbett und salbte und segnete ihn nach biblischem Rat.

Und tatsächlich konnte er schon 1992 wieder an der ersten Israelreise der Gemeinde teilnehmen. Er erlebte seinen Heilungsprozess als ein Geschenk Gottes und bezeugte es in den folgenden Jahren immer wieder. Fortan sah er seinen Dienst als Beter für einzelne und die Gemeinde. Daher hat er gerne die Kindersegnung in jedem Gottesdienst und das Segnungsangebot im Turmraum mit eingeführt und sich bis in jüngster Zeit dafür engagiert.

Eine ganze Anzahl von Neuansätzen der 90er Jahre wurden von ihm begrüßt und gegen Widerstand verteidigt. Auch hier kann ich nur einige nennen: Gottesdienste in neuer Form mit Anbetungsliedern, Band und Theater, die Öffnung der Kinder- und Jugendarbeit für ehrenamtliche Leitung und dementsprechend der Ausbau der Gemeinderäume für die Kinder- und Familienarbeit, der Beginn des regelmäßigen Kirchcafé. Um es kurz zusammen zu fassen: während er sich auf das Beten konzentrierte, gab er anderen die Freiheit neue Wege zu gehen.

Was wirst Du nicht vergessen, wenn Du Dich an ihn erinnerst?

Unvergesslich bleibt mir eine Begegnung mit ihm während einer Kirchwoche zur Wendezeit. Es war ein gut besuchter Abendmahlsgottesdienst. Der Liturg forderte uns vor der Austeilung des
Abendmahls auf, innere Widerstände zu bekennen, die wir gegen einander hätten und gab dafür Zeit. Plötzlich fanden wir uns neben einander und ich sagte zu ihm: „Herr Pfarrer Geßner, es tut mir leid, dass ich Ihnen gegenüber so oft in Widerstand gehe.“ Da sah er mich an und entgegnete: „Und mir tut es leid, dass ich Sie als Konkurrenten sehe und nicht als Bruder in Christus.“ Danach gaben wir uns die Hand und gingen gemeinsam zum Abendmahl und wurden gesegnet. Von nun an wurden wir Freunde. Aus Pfarrer Geßner war Horst geworden und das erstreckte sich auf beide Familien. Seine Offenheit und Unterstützung hörte nicht mehr auf.

Im September vorigen Jahres nach einem Tischabendmahl im Pflegeheim verabschiedeten wir uns mit Handkuss, da uns die Corona-Bestimmungen den Bruderkuss verwehrten. Wir sind ihm so dankbar für seine brüderliche Treue und ich freue mich darauf, ihn einst wieder zu sehen und den Kuss nachzuholen.

Die Fragen stellte Ralf Döbbeling.