Weihnachten steht vor der Tür. Das ist nicht zu übersehen und zu überhören. Alles wird hergerichtet, dekoriert und schön gemacht. Lichter leuchten überall, was besonders in der dunklen Jahreszeit sehr schön aussieht. Von vielen höre ich, dass sie sich auf Weihnachten freuen: Familie treffen, endlich frei haben, nicht arbeiten müssen, nicht zur Schule oder zu Uni müssen. Ich merke, diese Erzählungen sind mit Erwartungen an besinnliche Tage und harmonisches Miteinander in Unbeschwertheit geknüpft – auch in meinen Gedanken.
Und doch gerade in den letzten Monaten haben mich Botschaften erreicht, die mich erschütterten. Ein guter Freund erleidet, fern von seiner Heimat in den USA, einen Schlaganfall als er hier ganz in unserer Nähe dienstlich unterwegs war. Ein Verwandter erkrankt an Krebs. Die Mutter einer Kollegin, eine Frau in meinem Alter, stirbt ganz unerwartet.
Das steht im krassen Gegensatz zu dem Lichterglanz überall und führt mir vor Augen, wie verletzlich ich bin. Es macht mir deutlich, dass beste Ausgangsituationen, Planung oder rechtzeitige Vorbereitungen keine Garantie für was auch immer bedeuten. Woher nehme ich meine Sicherheit? Ich bin eine, die Sicherheit braucht, sucht, sich wünscht bzw. sich danach sehnt. Kann ich das alles ausblenden nur weil Weihnachten ist?
Die Verse 57-59 aus Klagelieder 3 berühren mich in dieser Verletzlichkeit besonders. Denn der Beter da klagt: „Du nahtest dich zu mir, als ich dich anrief und sprachst: Fürchte dich nicht! Du führst, Herr, meine Sache und erlöst mein Leben. Du siehst, Herr, wie mir Unrecht geschieht; hilf mir zu meinem Recht.“
Das war zur Zeit des Alten Testaments nach der Zerstörung Jerusalems. Aber wie kann ich das heute sehen und was hat das mit Weihnachten zu tun?
An Weihnachten denken wir daran, dass Gott Mensch wurde. Er kommt uns nahe, indem er wurde wie wir. Er kann sehr wohl nachempfinden, was ich fühle und erfahre. Jesus war so ganz richtig Mensch. Und nachdem er gestorben und auferstanden war, versprach er: „Und siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Das gilt auch mir. Weihnachten ist so etwas wie eine jährliche Erinnerung, dass Gott sich mir naht, bei mir ist und ich mich deshalb nicht zu fürchten brauchen.
Wenn mich irgendetwas nach unten ziehen möchte, so wünsche ich mir, dass ich daran denken, wie der Beter der Klagelieder damals, zu rufen: „Ich rief aber deinen Namen an, Herr, unten aus der Grube,“ und wie eben dieser Beter zu erfahren: „und du erhörtest meine Stimme … Du nahtest dich zu mir als ich dich anrief und sprachst: fürchte dich nicht!“ Unabhängig von meiner Situation darf ich mich freuen und – wie wir auch schon in der Predigt zum 2. Advent ermutigt wurden – „mein Haupt heben“, weil Gott mir nahe gekommen ist, meine Sache sieht und sich ihrer annimmt.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein besonderes Weihnachtsfest: Wir dürfen uns gemeinsam freuen.
Sigi