29. Mrz 2023 | Allgemein
Erster Schultag, neue Klasse, Aufregung. Man beschnuppert sich vorsichtig. Das Klassenzimmer sieht noch aus wie damals, als ich noch zur Schule ging: Tische, Stühle, Kreidetafel, dreckiger Schwamm und die Luft ist muffig. Allerdings habe ich den Platz gewechselt. Nun stehe ich vorne und viele Augen gucken mich erwartungsvoll an.
In meiner Ausbildung zum Pfarrer, dem Vikariat, sind die ersten sechs Monate dem Religionsunterricht gewidmet. So durfte ich im Gymnasium Südstadt und im Georg-Cantor-Gymnasium verschiedene Religionsklassen kennenlernen und unterrichten. Das halbe Jahr verging wie im Flug und die Arbeit in der Schule hat mir große Freude bereitet. Viele junge Menschen mit ihren wunderbaren Persönlichkeiten, ihren Launen und ihren fantasievollen Ideen haben die Schulstunden zu inspirierenden und lehrreichen Begegnungen gemacht. Nach einigen Jahren Theorie im Studium konnte ich mich in der Praxis erproben und neu ins Nachdenken kommen.
„Machen“ ist wie lesen, reflektieren und diskutieren, nur viel krasser. Durch dieses „Machen“ habe ich noch einmal einen neuen Blick gewonnen. In der Uni wird das „Perspektivwechsel“ genannt. Tatsächlich ist für mich die Perspektive der Kinder und Jugendlichen in der Schule sehr wichtig geworden. Auch dafür gibt es schlaue Worte wie z. B. Schüler:innen-Orientierung. Eine Grundsatzfrage hat sich für mich daraus besonders ergeben. Sie stellt sich immer, wenn es in irgendeiner Weise darum geht, dass Menschen etwas gezielt lernen wollen oder auch sollen: Plane ich den Unterricht ausgehend von den Inhalten oder ausgehend von den Menschen, die da vor mir sitzen?
Natürlich geschieht beides gleichzeitig. Aber meistens ist doch eine deutliche Gewichtung zu erkennen. Worauf lege ich meinen Schwerpunkt bzw. in welches Verhältnis setze ich die Kinder und Jugendlichen mit ihrer Lebenswelt und ihren Interessen auf der einen Seite und den Inhalten, die traditionell Gegenstand von Religionsunterricht sind (wie z. B. biblische Geschichten, Jesus als historische Person und Jesus als Gottes Sohn etc.) auf der anderen Seite? Ich wage zu behaupten, dass das wirklich eine Kernfrage für pädagogisches Handeln ist.
Allein vom Wort „Pädagogik“ her bin ich dem Kind (griech. pais) verpflichtet. Die lernende Person sollte im Mittelpunkt stehen. Nur sie kann entscheiden – bewusst oder auch unbewusst, was sie wirklich lernen wird – langfristig. Da kann ich einen ganz einfachen Test machen: Was weiß ich denn noch aus meiner Schulzeit und warum weiß ich das noch? Natürlich ist die Entscheidung, was ich lerne, nicht frei. Das fängt schon mit der Schulplicht an, hinzu kommen der Leistungsdruck und die Härte einzelner Lehrpersonen, die zumindest in früherer Zeit das Erlernen ihres Stoffes erzwungen haben.
Die Frage also, was ich mir nach Jahren aus der eigenen Schulzeit behalten habe, reicht noch nicht aus. Darüber hinaus ist spannend, welche Inhalte und Themen zu meinen Themen geworden sind. Was ist mir inhaltlich nach der Schule geblieben, was habe ich weiterverfolgt in Ausbildung, Beruf oder Freizeit? Gehe ich dem auf die Spur, bekomme ich schon mehr ein Gefühl dafür, dass ich selbst entscheide, was ich lerne und behalte. „Prüft aber alles und das Gute behaltet.“, schreibt der Apostel Paulus. Allerdings spielt eine wesentliche Rolle, ob ich mich beim Lernen mit den Menschen – den Lehrpersonen und den Mitschüler:innen – wohlgefühlt habe. Daran erinnere ich mich ganz sicher und das hat mich und mein Lernen sehr geprägt.
Zurück also zu meiner Grundsatzfrage: Wie gewichte ich Lernende und Inhalt? Am Selbsttest kann ich feststellen, wie wichtig die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden ist. Das belegen auch einige Studien. Der Weg zu einem effektiven und langfristigen Lernen führt also über gute Beziehungen. Bei der Auswahl und Gestaltung der Inhalte gehe ich von den Interessen und der Lebenswelt der Lernenden aus. Das bedeutet nicht, dass ich nur das unterrichte, was interessiert. Aber es bedeutet, dass ich so unterrichte, dass es zumindest für einige interessant wird, ja im Idealfall sogar wirklich lebensrelevant. Wenn die Schüler:innen das Gefühl bekommen, es geht hier um sie selbst, um ihr Leben und ihre Fragen, fühlen sie sich gesehen, ernstgenommen und können sich mit den Inhalten identifizieren.
Beim Unterrichten gehe ich nicht davon aus, alle Antworten schon zu haben und den Schüler:innen nur vermitteln zu müssen, die richtigen Fragen zu stellen. Nein, ich habe die Antworten auch nicht alle und ich bin offen und gespannt, neue Antworten im gemeinsamen Lernen zu entdecken. Manche scheinbar abgedroschenen Themen können so plötzlich in neuem Licht erscheinen. Das bedeutet manchmal auch Mut, Dinge bewusst anders zu machen als üblich. Selbst in den Religionsklassen habe ich zuweilen hauptsächlich Kinder und Jugendliche erlebt, die sich weder als christlich noch als gläubig bezeichnen. Wie finde ich da ein gutes Verhältnis von Lernenden und Inhalten? Kann ich diese Schüler:innen für christliche Themen und Perspektiven begeistern? Ja, das kann gelingen. Aber dafür muss ich offen sein, offen sein für andere Vorstellungen und Ideen, auch offen sein dafür, meinen Glauben und meine theologischen Überzeugungen zu hinterfragen bis dahin, Inhalte auszulassen, um dem mehr Raum zu schaffen, was jetzt gerade für die Gruppe dran ist.
In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen in ihren pädagogischen Beziehungen einen guten Blick füreinander und viele dieser Momente des gegenseitigen Lernens und Begeisterns. Vielleicht kennen wir uns noch nicht…
Fridolin Wegscheider
29. Mrz 2023 | Allgemein, GKR
Der Stellenplan des Kirchenkreises sieht vor, dass ab Frühjahr 2025 für Bartholomäus und Petrus gemeinsam nur noch eine Pfarrstelle (100%) zur Verfügung steht. Was kann dann die Perspektive für die rund rund 2.500 Gemeindemitglieder sein?
Mit dieser Frage hat sich bereits die Gemeindeklausur gemeinsam mit Vertreter:innen der Petrus-Gemeinde im Januar beschäftigt. Beim Gemeindevormittag am vergangenen Sonntag war Gelegenheit, die Pläne kennenzulernen und zu diskutieren. Cornelia Büdel stellte für den GKR die bisherigen Überlegungen vor. Danach spricht vieles gegen eine lose Kooperation, aber viel für einen künftigen Zusammenschluss unserer beider Gemeinden. Die beiden GKRs haben beschlossen, in einem ergebnisoffenen begleiteten Prozess diese Option weiter zu bedenken.
Diese Entscheidung entspricht dem Modell der regio-lokalen Gemeindeentwicklung, das der Theologe Dr. Felix Eiffler von der Forschungsstelle Missionale Kirchen- und Gemeindeentwicklung in einem kurzen Vortrag vorstellte. Die Idee dahinter: In Zeiten zurückgehender Mitgliederzahlen soll es nicht darum gehen, den Mangel zu verwalten, sondern mit den verfügbaren Mitteln neue Wege für den gemeinsamen Auftrag zu entwickeln: Die Kommunikation des Evangeliums.
Dazu gehört es auch, Kirche nicht nur von den herkömmlichen Gemeindestrukturen her zu denken, sondern dabei auch die Region (bei uns also von Giebichenstein bis Heide Süd) als Sozialraum zu begreifen, sich mit anderen Akteuren zu vernetzen und „der Stadt Bestes“ zu suchen. Das kann aber auch heißen, dass die bisherigen Gemeinden zukünftig möglicherweise nicht mehr ein „Vollprogramm“ bieten.
Für Petrus und Bartholomäus sind die Voraussetzungen günstig: Wir haben schon viel gemeinsame Erfahrungen, teilen Hauptamtliche und haben uns über viele Jahre hinweg ausgetauscht. Auch gibt es in den beiden Gemeinden sehr ähnliche Milieus, so spielen zum Beispiel Familien eine wichtige Rolle. In Bartholomäus haben wir sehr unterschiedliche Hintergründe, etwa im Frömmigkeitsstil, und offensichtlich die Kraft, Verschiedenheit auszuhalten.
Wie eine mögliche gemeinsame Zukunft konkret aussehen könnte, ist bisher noch offen. Bedacht werden sollen die möglichen Entwicklungen zum einen in Arbeitsgruppen, die der GKR initiieren wird. Wer Interesse hat, an diesem Zukunftsthema verbindlich mitzudenken, melde sich bitte bei Cornelia Büdel. Zum anderen sind aber auch die verschiedenen Arbeitsbereiche, zum Beispiel die Jugendarbeit, Seniorenkreise, Öffentlichkeitsarbeit oder Kindergottesdienste aufgerufen, sich mit den entsprechenden Gruppen in Petrus in Verbindung zu setzen und sich kennenzulernen.
Ziel ist es, dass wir uns in den Gemeinden auf Augenhöhe begegnen und vertrauensvolle Beziehungen entwickeln. Durch die Veränderungen in den Gemeinden soll Kirche in unserer Region nicht weniger, sondern mehr und vielleicht auch ganz neu werden. Die weiteren Überlegungen stehen deshalb unter zwei Leitfragen:
1) Wie müsste unser Zusammenschluss aussehen, damit er für die beiden Stadtteile einen Mehrwert ergibt?
2) Wie müsste unser Zusammenschluss aussehen, damit er für die beiden Gemeinden und für unseren Auftrag in der Welt einen Mehrwert ergibt?
Das sind komplexe Fragen – und die Zeit dafür ist begrenzt. Wenn wir uns tatsächlich für einen Zusammenschluss entscheiden, wäre der beste Zeitpunkt dafür Januar 2025. Dann kann die nächste GKR-Wahl im Oktober 2025 bereits unter den neuen Vorzeichen stattfinden. Dafür ist es aber nötig, dass der Entschluss dazu Anfang des 2. Quartals 2024 fällt, also bereits in einem Jahr.
Es steht uns eine spannende, aber auch arbeitsreiche Zeit bevor, bei der es viel zu bedenken gibt. Bitte bringt euch bei diesem Prozess ein und begleitet ihn im Gebet.
Für den GKR
Cornelia Büdel
15. Mrz 2023 | Allgemein, Angedacht
Der Text zur vierten Fastenwoche findet sich in Mt 5, 14-16. „Ihr seid das Licht der Welt“ – was kann das heute heißen? Und was hat das mit den schwindenden Mitgliederzahlen der Kirchen zu tun? Dieser Frage geht der aktuelle Impuls in der Fastenaktion der Evangelischen Kirche nach.
01. Mrz 2023 | Allgemein, Angedacht
Bei der Fastenaktion der evangelischen Kirche „7 Wochen ohne“ wirft die zweite Woche einen Blick auf das, was verzagen lässt. Wie groß und berechtigt Ängste sein können, zeigt die biblische Geschichte von David und Goliath. Wie gelang es David, die Verzagtheit zu überwinden und schließlich Goliath zu besiegen? Und was können wir aus der Geschichte für unsere eigenen Ängste mitnehmen? Diesen Fragen geht der zweite Fastenbrief nach.
22. Feb 2023 | Allgemein
In diesem Jahr stehen die 7 Wochen Ohne unter der Überschrift: „Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit.“ Gerade in Zeiten von nahem Krieg und katastrophalem Klima lässt es sich gut verzagen. Wir stehen so großen Schwierigkeiten gegenüber, dass Verzagen sozusagen die natürliche Reaktion ist.
Die Fastenaktion widmet sich dem Licht als Gegenmittel zur Verzagtheit. Es geht darum, Licht zu sehen und schließlich selbst zu leuchten. Im Bibeltext der ersten Fastenwoche aus dem Beginn der Schöpfungsgeschichte ist alles wüst und leer, dunkel und in keiner Weise bereit für die Veränderung, die bevorsteht. Der erste Fastenbrief beleuchtet, was der erste Schöpfungstag mit einem Schlafzimmer am Morgen gemeinsam hat.
01. Feb 2023 | Allgemein
Nicht nur die Gesellschaft, sondern auch unsere Kirche befindet sich in Zeiten großen Wandels. Der Veränderungsdruck scheint groß und die Verlustängste ebenso. Für uns heißt das konkret: In zweieinhalb Jahren wird es für Bartholomäus und Petrus zusammen nur noch eine Pfarrstelle geben. Und das ist erst der Anfang: Geld für Pfarrstellen wird überall knapp, es wird weniger Bewerber:innen auf solche Stellen geben. Und die Anzahl der Gemeindemitglieder, der Gottesdienstbesucher – wer weiß? Aber in jedem Ende steckt auch ein Neuanfang.
Auf der diesjährigen Gemeindeklausur am vergangenen Wochenende haben wir deshalb an einem Abend gemeinsam mit Petrus mutig in die Zukunft geblickt: Wäre ein freiwilliger vorzeitiger Zusammenschluss der beiden Gemeinden der richtige Schritt? Würden wir dadurch weniger? Oder wären wir einfach effizienter und attraktiver? Könnten wir vielleicht in diesem Zusammenhang unseren Auftrag für unsere Stadt neu definieren und zukünftig besser in unser Umfeld wirken?
In einer moderierten Runde haben wir über die Stärken unser jeweiligen Gemeinden gesprochen und uns über Wünsche, Hoffnungen und Befürchtungen ausgetauscht. Dabei haben wir viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Wir sind gespannt, wohin uns der weitere Weg führen wird.
Gott ist schon in der Zukunft, wir sollten uns also getrost auf neue Wege führen lassen. Wir sollten alle vorhandenen Mittel und Strukturen dafür einsetzen, um am Prozess der Veränderung zu arbeiten. Gottes Kirche wird bleiben, auch wenn möglicherweise nichts bleiben wird, wie es war. „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt! Er selbst kommt uns entgegen, die Zukunft ist sein Land.“ (EG 395)
Cornelia Büdel
Was sonst noch bei der Gemeindeklausur besprochen wurde, haben Mark Udo Born und Reinhard Grohmann am Sonntag im Gottesdienst berichtet.